Ich habe vor ungefähr 8 Jahren die erste Einladung zu Facebook erhalten von einer guten Bekannten aus meiner gestalttherapeutischen Ausbildungsgruppe. Da ich aber damals, wie heute, der Meinung war, dass „das wahre Leben offline stattfindet“, habe ich die Einladung gelöscht. Aber, wie hieß nochmal ein bekannter Werbeslogan einer Joghurtmarke Anfang der 2000er? „Früher oder später kriegen wir sie!“ Genau.
Im März 2017 hatte mich Facebook dann „gekriegt“. Nach langer Gegenwehr und größeren Überlegungen meinerseits, hatte ich meinen Facebookaccount angelegt. Da aller Anfang schwer ist, passierte danach auch erst einmal 2 Monate wieder nichts mit meinem Profil. Ich musste mich erst mit dem Facebook-Gedanken anfreunden. War sozusagen noch in der „Fremdelphase“. Getreu dem Motto „alles neu mach der Mai“ habe ich dann aber endlich alle Zweifel hinter mir gelassen und bin voll eingestiegen in die für mich neue Facebookwelt und dann aber gleich 3! Seiten (CareArbeit ist Arbeit – Fürsorgegehalt jetzt!, Mama streikt, Claire Funke).
Am erstaunlichsten war für mich, wie viele Menschen Selbstoptimierung betreiben in Facebook mit Hilfe von Wunderpillen, Challenges, Zaubercremes, Superfood, Shakes, Powerdrinks, Workouts, sowie allgemein mit gesunder Ernährung und das in zum Teil geheimen! Facebookgruppen. Was es mit diesen verschworenen Zirkeln auf sich hat, habe ich allerdings nicht herausgefunden, da ich mich nicht damit beschäftig habe. Die Tatsache, dass es „geheime Gruppen“ auf Facebook gibt, lässt mich schmunzeln. Ich ziehe einen offenen Austausch vor.
Gesunde Ernährung ist für mich in den letzten Jahren immer mehr zum roten Tuch geworden. Nicht weil sie mir nicht wichtig wäre, nein. Es ist nur so, vor Jahren haben uns alle erzählt, Kaffee macht hohen Blutdruck und Eier machen hohes Cholesterin. Nun Jahrzehnte später fühle ich mich verwirrt, weil Kaffee plötzlich gegen Alzheimer hilft und nicht mehr verantwortlich ist für hohen Blutdruck. Eier können mittlerweile ohne schlechtes Gewissen gegessen werden, da der Körper das mit der Regelung von dem Cholesterin irgendwie selber hinkriegt. Außerdem sind Milchprodukte wie Fruchtjoghurt plötzlich nicht mehr gesund wie früher, sondern werden als Süßigkeit gesehen. Das vorfinden von Joghurt in der Brotbox meines großen Sohnes hat eine Diskussion ausgelöst in der Schule. Mein Sohn kam heim und hat gesagt: Mama, die Lehrerin hat gesagt, Fruchtjoghurt ist nicht gesund, es ist eine Süßigkeit Dass die Lehrer selber zur Belohnung der Kinder Süßes ausgeben, zählt dabei natürlich nicht als ungesund, dass ist pädagogisch wertvoll und damit was ganz anderes.
„Mag is nis“ – Ben schob mir ein Stück Basilikum aus der frisch gekochten Bolognesesosse auf den Teller. Mein großer Sohn kommentierte das auch mit:“ Igitt wie eckelig!“ Ich sagte zu Tim, dass die Soße, würde ich nur Rinderhack und Tomaten zusammen rühren nicht schmecken würde. Für den Geschmack braucht es eben Kräuter (Basilikum, Oregano, Thymian), Zwiebeln, Knoblauch, Olivenöl, ein wenig Honig und Mohrrüben. Tim machte große Augen bei dem Wort Mohrrüben in der Aufzählung und schaute ungläubig auf den Teller mit den Nudeln. Konnte es wirklich sein, dass ich, seine Maml, ihm jahrelang stillschweigend gekochte Möhren untergejubelt habe? Ja, es konnte. Tim hasst nämlich gekochtes Gemüse und das schon fast immer (bis zum 1. Lebensjahr hat er das gegessen, dann nicht mehr). Da in eine Bolognesesoße aber Karotten hineingehören, schummle ich diese schon seit Jahren geraspelt in die Soße. Inkognito klappt es dann auch bei meinem Großen mit dem Essen von gekochtem Gemüse. Tim war fassungslos! Er hatte jahrelang gekochte Mohrrüben gegessen, ohne davon zu wissen und ohne daran zu sterben 😊. Unglaublich. Die Tatsache der Inkognito-Möhren hatte ein empörtes „Mamaaaaa!“ zur Folge, dass ich mit „gib mir 5“ kommentierte und dabei sehr lachte. In meinem nächsten Leben werde ich wieder Mutter, nur wegen diesen herrlichen Augenblicken.
Facebook konnte mich also nicht dazu bewegen, geheimen Gruppen beizutreten um meine Ernährung, Figur oder sonst was zu optimieren. Ich halte mich da mit 42 Jahren vertrauensvoll an Gloria Gaynor, die in ihrem Lied singt:
Was sich aber geändert hat mit Facebook, ist meine Definition von Freundschaft. Mich hat am Anfang irritiert, dass ich plötzlich „von aller Welt“ Freundschaftsanfragen bekommen habe, von Menschen, die ich gar nicht kenne, bzw. von denen ich nur die allerwenigsten persönlich kenne. Ich für meinen Teil habe noch niemandem eine Freundschaftsanfrage geschickt, der mir unbekannt ist. Aber ich habe mich dazu überwunden viele Freundschaftsanfragen zu beantworten von Leuten, die ich eben nicht persönlich kenne.
Aufgrund meiner Prägungen in der Kindheit (wir sind wahnsinnig oft umgezogen) und auch durch meine Hochsensibilität, sowie durch das alleinerziehend sein habe ich nicht so viele enge Freunde. Meine letzte beste Freundin aus Jugendtagen ist mir leider abhanden gekommen wegen Verständigungsschwierigkeiten zwischen der verheirateten 3-fachen Mutter mit sehr gutem sozialem Netz und mir, der alleinerziehenden Single-Mutter mit wenig sozialem Netz. Ich finde das bis heute sehr schade und habe auch einige Anläufe gemacht, die Verständigung wiederherzustellen, aber leider vergebens. Leben ist eben Veränderung.
Aber seit ich auf Facebook bin, habe ich Freunde, so viele wie nie – über 300 sind es derzeit, Tendenz steigend. Ich saß Anfangs völlig genervt vor dem Computer und habe Freundschaftsanfragen im Akkord beantwortet. Zeitweise war ich von der Fülle an Anfragen echt erschlagen und dachte mir immer: „Was wollen die alle von mir?“ Aber brav wie ich bin, habe ich alle beantwortet und mir auch vorher alle Facebookseiten von potentiellen „Freunden“ angesehen. Profile, mit sexistischen oder fremdenfeindlichen Inhalten, sowie Profile in Sprachen, die ich nicht verstehe, habe ich gelöscht. Facebookseiten, auf denen es um Kosmetik oder gesunde Ernährung ging, habe ich auch bestätigt, weil ich mir nichts böses dabei gedacht habe. Ich bin ja grundsätzlich für gesunde Ernährung und ich benutze auch Creme oder mache Sport, aber ich möchte eben mein Dasein, auch noch mit anderen Fragen verbringen, wie mit der, nach der gesündesten Ernährung (ändert sich eh alle paar Jahre) oder der besten Creme, die die optimalsten Ergebnisse erzielt (hab ich erhlich gesagt kein Geld dafür).
Blöd war nur, dass diese ErnährungsCremesBewegungsPowerfood-Facebookseiten auch wiederrum Freundschaftsanfragen von ErnährungsCremesBewegungsPowerfood-Profilen nach sich gezogen und teilweise so viele, dass ich es mittlerweile lasse und die Anfragen lösche. Ich finde es gar nicht schlimm, wenn jemand so sein Geld verdient, aber es ist eben nicht meine Welt und ich will mir über solche Themen eben nur am Rande Gedanken machen und nicht hundert Mal die gleiche Frage beantworten: „Ich bin ganz zufrieden mit meiner Figur / Ernährung / Creme.“
Ich habe also gelernt, durch Facebook, dass Freundschaft auch erst mal was ganz oberflächliches sein kann, aktiviert durch einen Klick. Was mich dann aber in dieser Woche doch empört hat, war, dass es User gibt, die von dieser „Klick-Freundschaft“ erwarten, dass man ihre Beiträge ordentlich kommentiert und das reine „Gefällt mir“-Angaben einer (seiner) Facebook-Freundschaft nicht würdig sind. Das hat der gute Mann (Schriftsteller) auf so unverschämte Art und Weise rübergebracht, dass ich auch wieder wusste, warum ich diesem Medium jahrelang ferngeblieben bin.
Im Großen und Ganzen habe ich mein Facebook-Abenteuer bis jetzt nicht bereut. Ich habe tatsächlich nette Menschen kennengelernt und meine langweiligen Fernsehabende haben sich umgewandelt in oft unterhaltsame Facebook-Abende. Alles in allem ein Gewinn, den ich nicht missen möchte. Auf fordernde Freundschaften online oder offline kann ich allerdings verzichten.
In einer Zeit, lange bevor es das Internet für den Otto-Normal-Verbraucher gab, habe ich angefangen Zitate zu sammeln. Ich glaube sie haben zum jeweiligen Zeitpunkt, als sie mir über den Weg gelaufen sind, das wiedergespiegelt, was mich im Innersten bewegt hat. Als ich die Tage nun so durch meine Zitate-Sammlung geblättert habe, fand ich das hier:
„Wenn du etwas haben willst, was du noch nie gehabt hast, musst du etwas tun, was du noch nie getan hast.“
Nossrat Peseschkian (Neurologe, Psychiater, Psychotherapeut)
So, nun bin ich gespannt, was die Dinge, die ich vorher nie getan habe, nämlich einen Blog schreiben, 3 Facebookseiten betreiben und eine Onlinepetition für ein Fürsorgegehalt mit allen Sozialleistungen zu initieren, in mein Leben so an „noch nie gehabtem“ bringen. Ich bin gespannt und offen für Neues.
Gibt es bei Dir auch Dinge, die Du in diesem Jahr schon getan hast, die Du vorher noch nie gemacht hast? Schreib mir gerne einen Kommentar dazu.