Es gibt mittlerweile Blogs, die ehrlich und ungeschönt darüber berichten, wie es ist, mit einem oder mehreren Kindern alleinerziehend zu sein (z. B. Mama arbeitet, Mutterseelesonnig, Notyetaguru u.v.a.). So ein Leben ist gekennzeichnet durch unzählige Anforderungen. Im Extremfall sogar ohne Aussicht auf eine Pause und das über viele Jahre. Auch ich habe schon oft darüber berichtet. Frau Tazi-Preve (Professorin für Politikwissenschaft- und Geschlechterforschung an der Universitiy of New Orleans) sagt in einem Interview in der Stuttgarter Zeitung: „Aber auch zwei Personen sind für ein Kind immer noch zu wenig.“ Ich finde dieser Satz sagt viel darüber aus, was Einelternfamilien leisten.
Darüber, wie es für Eltern und vor allem Alleinerziehende ist, Kinder groß zu ziehen, können wir also einen Eindruck bekommen, wenn wir uns dafür interessieren. Vor allem Politiker sollten sich mit diesen Zuständen auseinandersetzen, denn Kinder sind die Grundlage unserer Gesellschaft. Aber das ist wieder ein anderes Thema. Wie ist es jedoch für die Kinder, die an der Seite einer alleinerziehenden Mutter / eines alleinerziehenden Vaters aufwachsen?
Ich bin Jahrgang 1974 und meine Mutter war mit mir alleinerziehend als ich ca. 2 Jahre alt war. Wenn ich nur ein einziges Wort dafür hätte, meine Kindheit zu beschreiben, dann wäre das: Einsamkeit. Dieses Gefühl zieht sich wie ein roter Faden durch meine Kinder- und Jugendzeit. Der Gedanke daran löst Trauer aus, mein Hals wird eng beim Schreiben, das Herz klopft wild. Tränen. Es gibt ein Bild in mir für diese Einsamkeit. Ich stehe als ca. 5 oder 6-jähriges Mädchen vor einer verschlossenen Türe, unserer damaligen Wohnungstür. Ich stehe da und warte. Warte auf das Leben. Eine Welt, in der ich einen Platz habe, einen Ort, an dem ich mich geborgen fühle. Tränen. Schmerz. Ich habe mich nie richtig gefühlt als Kind, nie.
Letzte Woche bin ich aufgewacht, weil ich einen Alptraum hatte. Ich stand in einem stockfinsteren Gang, es war sehr eng, die Türe war zu. Panik. Wildes Herzklopfen. Ich bin schnell aus dem Bett gesprungen, raus aus der angstmachenden Situation. Erst einmal. Angst geht jedoch nur weg, wenn man sich ihr stellt. Daher bin ich, als ich mich ein bisschen gefangen hatte, in Gedanken wieder in die Situation mit der geschlossenen Türe zurückgegangen. Absolute Dunkelheit. Enge. Wildes Herzklopfen. Ich überlegte panisch, wie ich aus der Situation kommen kann, sie auflösen kann, bis mir ein Satz einfiel, den mir meine Lehrtherapeutin während meine Gestalttherapieausbildung einmal sagte: „Mach die Türe auf.“ Ich drückte die Klinke runter. Licht.
Die Umstände waren für meine Mutter und mich schwer, wobei es für mich sicherlich noch schwerer war, weil ich ein Kind war. Jedenfalls habe ich für mich viel Seelenarbeit gebraucht, um meiner Mutter verzeihen zu können. Ich glaube, ich tue das mit diesen Zeilen vor allem auch deshalb, weil ich heute weiß, dass sie nicht alleine verantwortlich war. Sie war und ist natürlich meine Mutter, aber die Möglichkeit Hilfe zu bekommen war damals schwierig und das ist bis heute so geblieben. Um ein Kind groß zu ziehen braucht es eine Gesellschaft, die sich darüber im Klaren ist, dass Kindererziehung eben keine Privatsache ist. Frau Tazi-Preve zitiert in ihrem Buch „Das Versagen der Kleinfamilie“ (Seite 113), Frau Veronika Bennholdt-Thomsen: „Wir brauchen einen Gesellschaftsvertrag, der sich an den Werten des mütterlichen Sorgens orientiert…….“
Aus diesem Grund möchte ich parallel zu meiner Petition zum Fürsorgegehalt und dem Netzprotest zu #carearbeitmusssichtbarwerden am 08.03.18 im Rahmen des internationalen Frauentag, das Interviewprojekt „Care eine Stimme geben“ ins Leben rufen. Hier sollen Sorgegebende (Eltern, pflegende Angehörige) und Sorgeempfangende („erwachsene“ Kinder, sowie Menschen, die Hilfe bei den täglichen Dingen des Leben benötigen) zu Wort kommen zum Thema Fürsorge / Fürsorgearbeit ( Care, Care-Arbeit). Es soll wöchentlich ein Interview geben und ich bitte Euch, mich dafür finanziell zu unterstützen auf Steady.