In unserer Familie gibt es viele Rituale, weil sie unserem Leben Struktur und Sicherheit geben. Eines davon ist das „Ins-Bett-Geh-Ritual“. Mit dem Großen lese ich vor dem Schlafen. Das sieht dann so aus, dass er eine Seite liest und ich, je nach Tagesform, viel mehr Seiten lese als er. Muss so. Unbedingt. Zuletzt haben wir Harry Potter gelesen und obwohl ich von dem Buch nicht viel erwartet hatte, weil mich die Trailer zu den Filmen überhaupt nicht angesprochen haben, war ich begeistert von der Geschichte. Als ich unlängst ins Bad kam, sah es, zumindest auf den ersten Blick so aus, als wäre Harry zu Besuch bei uns gewesen.
Bei näherem Hinsehen stellte sich dann heraus, dass wir (leider) keinen Zauberlehrling hier hatten, sondern, dass sich der Kleine lediglich einen neuen Aufbewahrungsort für seine Zahnbürste gesucht hat. Mit Kindern gibt’s immer Überraschungen und wenn es lustige sind, wie die „fliegende Zahnbürste“, dann mag ich das sehr.
Der Kleine rennt im Moment durch die Wohnung und kräht dabei: „Ahh, CEEEE, DEEE, ÄFFF, EEE, GEEEEEEH. Lesen kann er mit drei Jahren noch nicht, aber er liebt Bücher, schon seit er ganz klein ist und daher lese ich auch ihm jeden Abend etwas vor als „Ins-Bett-Geh-Ritual.“ In der vergangenen Woche lagen wir gerade mit einem Polizeibuch im Bett, als es um um kurz vor 20.00 Uhr an der Tür klingelte. Ich hatte niemanden mehr erwartet, außer den Großen, der noch zum Spielen im Garten war. Allerdings hat er einen Schlüssel und muss nicht klingeln. Theoretisch. Als ich die Türe öffnete stand da mein Großer, der völlig aus dem Häuschen war und ein unbekannter Mann, der mir seinen Dienstausweis vom BKA unter die Nase hielt. Er hatte das Nachbarskind und meinen Sohn nach Hause gebracht, nachdem sie von einem älteren Ehepaar mit in deren Haus genommen worden waren um die zwei Kinder auszuschimpfen, weil sie „Klingelputzen“ waren. Uff. Das zählt dann zu den sehr unangenehmen Überraschungen.
Ich persönlich finde Klingelstreiche nicht schlimm. Kann aber verstehen, wenn sich jemand davon gestört fühlt. In diesem Fall würde ich dann von dem Erwachsenen erwarten, dass er dies den Kindern so mitteilt, dass sie keine Angst bekommen. Was meinem Großen und seiner Spielkameradin hier passiert ist, war völlig unangemessen. Der BKA-Mann kam nur zufällig dort vorbei (weil er daneben wohnt), hat die Kinder dann gut und einigermaßen wohlbehalten nach Hause gebracht und mitgeteilt, dass dieses Ehepaar wohl sehr unfreundlich sei. Die Kinder sollen sich zukünftig von diesem Haus fernhalten. Machen sie bestimmt. Daran zweifle ich bei dem Schreck nicht. Unglaublich sowas.
Ich hätte gerne Anzeige erstattet bei der Polizei. Aber wie es alleinerziehend so ist, war ich, wie seit 9 Jahren immer, alleine zu Hause. Der Kleine war schon im Schlafanzug und musste ins Bett und wenn ich noch hätte Anzeige erstatten wollen, hätte ich den müden Kleinen und den aufgeregten Großen mitnehmen müssen. Daher habe ich mich dagegen entschieden, denn dafür habe ich am Ende des Tages um 20.00 Uhr einfach keine Kraft mehr. Leider. Die Geschichte hat uns dann am Abend natürlich auch noch länger beschäftigt. Großer hat mir alles ausführlich erzählt und musste verständlicherweise von mir getröstet werden. Reden hilft.
Umso beruhigender war es, am nächsten Tag zu hören, dass die Eltern der Spielkameradin zu zweit bei dem Ehepaar waren (alleine wäre ich da auch nicht hin gegangen) und sie zur Rede gestellt haben. Des Weiteren wurde von ihnen Anzeige erstattet. Gut so.
Ich erlebe es leider häufig, dass man sich unangemessen heftig beschwert bei mir wegen Kleinigkeiten, die meine Jungs „ausgefressen“ haben. Unter mir wohnt eine Frau, die sogar schimpft, wenn die Kinder im Garten zu laut sind. Unlängst habe ich Wäsche am Dachboden aufgehängt. Der Kleine war mit dabei und erzählte irgendetwas. Ja, es war nicht leise, aber ich finde das auch nicht schlimm. Jedenfalls rief besagte Dame dann das Treppenhaus hinauf, der Kleine soll ruhig sein. Meistens sage ich dazu nichts, weil ich einfach keinen Ärger mit den Nachbarn gebrauchen kann, denn das kostet mich Kraft, die ich einfach nicht mehr habe. Diesmal konnte ich mich aber nicht zurückhalten. Daher habe ich ihr mitgeteilt, dass ich Wäsche aufhänge und dass sie die Lautstärke aushalten muss, bis ich fertig bin. Davon, dass ich ihren kleinen Enkelsohn auch oft höre, wenn er schreit oder er, wie unlängst mit irgendeinem Gegenstand ans Balkongeländer haut, habe ich nichts gesagt. Warum auch, es sind Kinder und die müssen zwar in gewissem Maß lernen Rücksicht zu nehmen, aber sie müssen sicher nicht wegen jedem lauten (Alltags)Geräusch gemaßregelt werden. Das geht einfach nicht und ich wünsche mir hier viel mehr Verständnis und Kinderfreundlichkeit. Jetzt!
Ich könnte hier alles aufzählen, was ich an Unverständnis so erlebt haben im Bezug auf meine Söhne, aber ich lasse das. Ich hätte dann das Gefühl, ich bin genauso kleinlich, wie der ein oder andere Mitmensch und das bin ich nun wirklich nicht. Niemals. In solchen Fällen wäre es dennoch gut, wenn ich zaubern könnte (z. B. die Ganzkörperklammer – Ha!). Eine andere Möglichkeit mich elegant zu wehren wäre, mir einen Vorrat an Bertie Bott`s Beans (Gelebohnen) zuzulegen, die es laut Harry Potter in jeder Geschmacksrichtung gibt. Wie wäre es, wenn ich allen nickeligen Zeitgenossen mit meiner schönsten Unschuldsmiene Bertie Bott`s Beans anbiete in den Geschmacksrichtungen Ohrenschmalz, Erbrochenes, Popel oder faules Ei? Großartig!
P.S.: In eigener Sache suche ich Aufträge als virtuelle Assistentin (Infos unter http://www.clairefunke.de). Das Schreiben von Texten zu verschiedenen Themen gehört auch noch zu meinem Repertoire (z. B. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Care-Arbeit, Medizin, Arbeitsmarkt, Essen und Trinken). Extremalleinerziehend würde ich am liebsten im Homeoffice arbeiten, gerne auch festangestellt. Freiberuflich geht aber auch. Andere Arbeitsvariationen sind möglich. Schließlich bin ich flexibel. Meistens. Anfragen nehme ich gerne an unter: info@mamastreikt.de