Fürsorgearbeit: Meine Ode an das Kochen

Meine Oma hat immer frisch gekocht. Das lag einerseits daran, dass das früher eben so war. Andererseits hatte ich schon als Kind eine schwere Neurodermitis und war daher gesundheitlich darauf angewiesen, dass es nur Lebensmittel gab, die meine Hautbeschwerden nicht verschlimmerten (z. B. Zitrusfrüchte, Essig, Konservierungs- und Farbstoffe usw.). Der sicherlich unbestrittene Vorteil von selbst gekochtem Essen ist, dass man ganz genau weiß, was darin enthalten ist, weil man beim Kochen natürlich zu 100 % Einfluss darauf hat, was für Lebensmittel verwendet werden.

Aufgrund der schwere meiner Hauterkrankung, die mich viele Jahre gequält hat, habe ich schon immer sehr darauf geachtet was ich esse, um keine Krankheitsschübe zu provozieren. Dies habe ich auch als Mutter beibehalten, da meine Söhne natürlich ein erhöhtes Risiko haben an Neurodermitis zu erkranken. Als ich mit dem Großen schwanger war, hat es zu meinen schlimmsten Alpträumen gehört, dass mein Kind betroffen sein könnte. Ich habe es über Jahrzehnte als sehr belastend empfunden, wenn ich mich aufgrund der Neurodermitis, nicht wohl gefühlt habe in meiner Haut. Dafür, dass meine Befürchtungen nicht Realität geworden sind, bin ich sehr dankbar. Meine Jungs haben beide empfindliche Haut, reagieren aber nur selten auf Nahrungsmittel.

Keiner würde also bestreiten, dass eine ausgewogene Ernährung gut für die eigene Gesundheit ist und auch für die Entwicklung von Kindern nur förderlich sein kann. Dennoch  habe ich den Eindruck, dass zumindest die Industrie gerne hätte, dass wir das Zubereiten von Mahlzeiten gänzlich derselbigen überlassen. In Supermärkten, Discountern und sogar Biomärkten finden sich mittlerweile Fertiggerichte in Hülle und Fülle. Ich frage mich daher, ob damit nicht auch ein Stück (Ess)Kultur verloren geht?

Wenn sich der Große „Mamas-weltbesten-Kartoffelsalat“ wünscht und mir sagt, dass der nur bei mir so gut schmeckt, freut mich das unheimlich. Ein anderes Leibgericht von ihm sind mediterrane Frikadellen mit Paprikasoße und Rundkornreis. Da wir aus Franken kommen sagen wir eigentlich nicht Frikadellen, zu den Frikadellen, sondern Hackfleischküchle oder auch, spezielle in meiner Heimatstadt, Hackfleischbagesla. In meiner Ode an das Kochen, darf, finde ich, das Rezept für die mediterranen Hackfleischbagesla mit Paprikasoße und Reis nicht fehlen. 

 

Zutaten für 6 Personen:

450 g Rundkornreis (Vollkorn)

Paprikasoße:

Olivenöl

4 rote Paprika

3 Möhren

1 Knoblauchzehe

6 Romatomaten

Frischer Rosmarin (der getrocknete eignet sich nicht so gut finde ich, er ist so picksig)

3 EL Tomatenmark

½ TL Honig

Salz und Pfeffer

Parmesankäse

Hackfleischbagesla:

750 g Rinderhack (bei uns gibt es nur wenig Fleisch und ich kaufe es immer beim Metzger)

3 TL Senf

1 Knoblauchzehe

1 Schuss Sahne (macht die Hackfleischbagesla saftiger, wenn man nur Rind nimmt)

3 EL Semmelbrösel

1 Ei

Getrockneter Thymian (frischen Thymian muss man erst abzupfen, daher nehme ich hier lieber den getrockneten)

Salz und Pfeffer

Olivenöl zum Braten (ich verwende spezielles Olivenöl zum Braten, dass hoch erhitzbar ist)

Zubereitung:

  • Reis nach Packungsanweisung kochen: Ich stelle ihn immer zuerst hin, da ich Vollkorn-Rundkornreis verwende, der ca. 45 Minuten zum Kochen benötigt. Ich mag Rundkornreis am liebsten, Ihr könnt aber auch anderen Reis verwenden oder Nudeln.img_5712.jpg
  • Paprikasoße: Möhren schälen und klein schneiden, Paprika schälen (dann sind sie leichter verdaulich) und klein schneiden, Tomaten in Würfel schneiden. Dann Olivenöl in einen Topf geben, so dass der Boden knapp bedeckt ist.  Knoblauch schälen, fein hacken und bei mittlerer Hitze im Olivenöl andünsten. Möhren, Paprika, Tomaten und 3 EL Tomatenmark dazu geben und aufkochen lassen. Mit Honig, Salz und Pfeffer abschmecken. Das alles nun 10 Minuten köcheln lassen ohne Topfdeckel. Rosmarinnadeln vom Stiel abzupfen und in die Soße geben. Weitere 10 Minuten köcheln lassen mit Topfdeckel (wegen der ätherischen Öle des Rosmarin). Danach püriere ich das ganze mit dem Pürierstab, so dass eine sämige Soße entsteht. Das ganze stelle ich die Soße zur Seite und halte sie warm.  img_56871.jpg
  • Mediterrane Hackfleischbagesla: 3 TL Senf mit einer gehackten Knoblauchzehe und einem Schuss Sahne vermischen. Rinderhack, Ei, Semmelbrösel, Thymian, Salz und Pfeffer dazu geben und alles gut vermengen. Olivenöl zum Braten in eine Pfanne geben und erhitzen. Ich brate immer zuerst ein „Versucherle“ (auf das die Kinder meistens sehnsüchtig warten), damit ich sicher bin, dass der Fleischteig gut abgeschmeckt ist. Danach forme ich die Hackfleischbagesla und brate sie rundherum braun an, bei mittlerer Hitze.img_57031-e1536695839334.jpg
  • Anrichten: Wenn die mediterranen Hackfleischbagesla fertig gebraten  sind, ist es der Reis auch und es geht ans Anrichten. Ich mag sehr gerne Parmesankäse, daher gebe ich immer ein paar Parmesanspäne oben auf die Soße (siehe Beitragsbild). Wer das nicht mag, lässt es einfach weg. Es  schmeckt auch ohne Parmesan sehr gut.

Da ich aus den vielen genannten Gründen kein Freund von Fertiggerichten bin, koche ich grundsätzlich mehr, um das, was wir nicht gegessen haben, einzufrieren. Mein Gefrierschrank hat mich schon in vielen stressigen Situationen gerettet, weil ich durch den eingefrorenen Vorrat schnell und einfach eine warme, selbst gekochte Mahlzeit zaubern konnte. Leider geht das nicht bei allen Gerichten. Gekochte Kartoffeln, finde ich zumindest, schmecken nicht, wenn sie eingefroren waren.  Das Leibgericht vom Kleinen, Bolognesesoße, sowie auch Gulasch, Geschnetzeltes, Gemüsesuppe und Rinderbrühe lassen sich dagegen ebenfalls sehr gut einfrieren. So, nun wisst Ihr, was in meinem Gefrierschrank alles zu finden ist.

Ein weiterer Aspekt, der mich stört an Fertiggerichten ist, dass sie Einfluss haben auf meinen Geschmack. Der Gedanke, dass die Industrie meinen Geschmack maßgeblich beeinflussen könnte, den finde ich ganz gruselig. Ich will das nicht. Also wird bei uns weiterhin gekocht und eingefroren.

Obwohl Kochen  einen positiven Einfluss auf unsere Gesundheit und  die Familie hat (vielleicht damit sogar auf die Gesellschaft?), finden viele Menschen nicht mehr die Zeit dafür. Das ist tragisch und gleichzeitig kann ich es durchaus verstehen, wenn Frauen (80 % der privaten und öffentlichen Care-Arbeit leisten Frauen), sich aus Zeitmangel für Fertiggerichte entscheiden. Die einzige Lösung, die uns die Politik vorschlägt für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist die Kinderbetreuung außerhalb der Familie. Was dabei vergessen wird ist, dass zur Care-Arbeit neben der Kinderbetreuung und der Pflege von Angehörigen eben auch das Putzen, Waschen und Kochen dazu gehört. In der Zeit, in der wir also erwerbstätig sind, ist das Kind oder der zu pflegende Angehörige zwar vielleicht gut betreut in einer Einrichtung, aber die Hausarbeit bleibt liegen und Bedürfnisse die dahinterstehen, bleiben erst einmal unbefriedigt bzw. kann sich darum erst nach der Erwerbsarbeit gekümmert werden. Wenn man dann zu Hause ist, muss die Hausarbeit (Kochen, Putzen, Waschen) dann wieder mit den Bedürfnissen von Kindern und zu pflegenden Angehörigen in Einklang gebracht werden. Dieses Bemühen gleicht manchmal der Komplexität eines Seiltanz. Zumindest bei uns.

Fürsorgearbeit ist im Prinzip unsichtbar, weil unsere Gesellschaft zweigeteilt ist in privat und öffentlich. Das was privat ist, ist demnach auch Privatsache und die Probleme, die sich ergeben aus der (Nicht)Vereinbarkeit von Familie / Pflege und Beruf werden auf den Einzelnen zurückgeworfen und meistens abgetan mit einem Satz: „Man muss sich halt gut organisieren können.“

In dem Essay von Ina Preatorius „Wirtschaft ist Care“ steht, was das eigentlich ursprünglich mal war, die Ökonomie  (Seite 9), des Weiteren ist dort zu lesen wie dies heute in der Praxis umgesetzt wird:

„In allen Lehrbüchern der Ökonomie, die ich kenne, wird Wirtschaft als arbeitsteilige Befriedigung menschlicher Bedürfnisse definiert.“

Auf Seite 9 weiter unten heißt es des Weiteren:

„Nicht nebensächlich ist zum Beispiel, dass die moderne Wissenschaft, die untersucht, „wie die Mittel zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse am sinnvollsten hergestellt, verteilt und ge- oder verbraucht werden“, rund die Hälfte dieser Maßnahmen und Mittel gewohnheitsmäßig unbedacht lässt: ausgerechnet diejenigen Maßnahmen zur Bedürfnisbefriedigung, die in den Privathaushalten (oikoi) ins Werk gesetzt werden und ohne die kaum jemand als Kind überlebt hätte, kommen in der Wirtschaftswissenschaft heute nicht oder nur ganz am Rande und oft verzerrt als bloßer „Konsum“ vor.“

Da die unbezahlte Care-Arbeit rund 50 % der gesellschaftlich notwendigen Arbeit ausmacht, finde ich es schon sehr dramatisch, dass es im Prinzip keinen Plan dafür gibt, wie die dahinterstehenden lebensnotwendigen Bedürfnisse, befriedigt werden können bzw. deren Befriedigung als Privatsache unsichtbar gemacht wird.

Welchen Wert in Zahlen die unbezahlte Fürsorgearbeit hat, kann man nachlesen in dem Text von Susann Worschech (Care-Arbeit und Care-Ökonomie: Konzepte zu besseren Arbeiten und Leben?). Hier steht:

„Volkswirtschaftlich wird die in den Haushalten erbrachte „Produktion“ ausgeblendet – zu Unrecht, wie auch das Statistische Bundesamt in seiner sehr detaillierten Zeitverwendungsstudie aus dem Jahre 2003 feststellte. Die Bruttowertschöpfung in Haushalten entsprach im Jahre 2001 laut Statistischem Bundesamt in etwa der Bruttowertschöpfung der deutschen Industrie (ohne Baugewerbe). Der Wert der in Haushalten erbrachten unbezahlten Arbeit wird (bei einem angenommenen Nettolohn von 6€ pro Stunden) auf 684Mrd. € geschätzt. Insofern ist es keinesfalls untertrieben, die Care-Arbeit als eine zentrale Grundlage von Erwerbsarbeit und Marktwirtschaft zu bezeichnen.

Ähnlich argumentiert die Schweizer Ökonomin Mascha Madörin. Auch sie berechnet den „Wert“ der Care-Arbeit, indem sie Haushalte als die „wichtigsten Produktionsorte der Sorge- und Versorgungsökonomie“10 konzipiert und die einzelnen Tätigkeiten „Branchen“ zuordnen, um einen bessere Vergleichsbasis der „anderen Ökonomie“ (Madörin) gegenüber der „Ökonomie“ zu gewinnen. Somit können die Zusammenhänge der Sorgeökonomie in traditionellen makro-ökonomischen Termini beschrieben werden. Madörins Berechnungen ergeben beispielsweise für die „Wertschöpfung“ des Zubereitens der Mahlzeiten im eigenen Haushalt die Zahl von 45 Mrd. Franken; insgesamt beziffert Madörin die Wirtschaftsleistung der Sorge- und Versorgungsarbeit auf ca. 64% des BIP. Diese Zahlen zeigen, um welche großen Ressourcen es sich bei der (unbezahlten!) Sorgearbeit handelt.“

 

Damit dürfte also auch zahlenmäßig klar sein, dass Kochen, Waschen, Putzen, Kinder erziehen und Angehörige pflegen DIE grundlegend wichtige, gesellschaftlich notwendige Arbeit überhaupt ist. Ich möchte fast sagen, dass es ohne Fürsorgearbeit wahrscheinlich keine Wirtschaft geben würde. Mit diesem Wissen müssen wir nun dafür sorgen, dass Fürsorgearbeit als grundlegend wichtige Arbeit anerkannt wird, damit wir wieder genügend Zeit dafür zur Verfügung haben und sie weder heute, noch im Alter, in die Armut führt.  Gesellschaftliche Veränderung – JETZT! 

P.S.: In eigener Sache suche ich Aufträge als virtuelle Assistentin (Infos unter http://www.clairefunke.de). Das Schreiben von Texten zu verschiedenen Themen gehört auch noch zu meinem Repertoire (z. B. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Care-Arbeit, Medizin, Arbeitsmarkt, Essen und Trinken). Extremalleinerziehend würde ich am liebsten im Homeoffice arbeiten, gerne auch festangestellt. Freiberuflich geht aber auch. Andere Arbeitsvariationen sind möglich. Schließlich bin ich flexibel. Meistens. Anfragen nehme ich gerne an unter: info@mamastreikt.de. Neben neuen Aufträgen freue ich mich auch, wenn Ihr meine Arbeit zur Anerkennung der privaten Care-Arbeit finanziell unterstützt. Hier geht es zu PayPal: https://paypal.me/ClaireFunke. Vielen Dank dafür.

7 Gedanken zu “Fürsorgearbeit: Meine Ode an das Kochen

  1. Karin schreibt:

    Diesmal aus dem Blickwinkel des Kochens – wieder sehr, sehr gut über das Thema Care-Arbeit referiert. Tägliche Praxis und Theorie – ich wünschte Du könntest davon leben!

    Zum Thema: Die Industrie beeinflußt den Geschmack – ich arbeite noch daran von den Rindfleisch-/Gemüsebrühewürfeln wegzukommen – es ist so bequem den Würfel reinzuwerfen und zu wissen, jedem schmeckt es….. – den von klein auf begegnet ja fast jedem regelmäßig dieser Geschmack….

    Gefällt 1 Person

    • Mama streikt schreibt:

      Liebe Karin,

      herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Die Brühwürfel hat meine Oma auch in fast jedem Essen verwendet. Ich habe das auch übernommen gehabt und verwende heute nur ganz selten Brühwürfel, da sie meistens Hefe enthalten, was wegen meiner Neurodermitis dann schwierig war. Ich finde es auch gar nicht schlimm, Brühwürfel zu nehmen. Ich wollte einfach nur eben, wie Du schon gesagt hast, aus einem anderen Blickwinkel auf die Care-Arbeit aufmerksam machen. Das das bei Dir so angekommen ist, darüber freue ich mich sehr.

      Ich sende Dir ganz herzliche Grüße, Claire

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  2. Brigitte Bührlen schreibt:

    Es ist doch interessant, dass von Volkswirtschaftlern selbstverständlich ausgerechnet wird, wieviel Care Arbeit „wert“ ist…… warum wird das denn eigentlich berechnet? Um zu wissen was man in Zukunft dafür einplanen muss oder um sich daran zu freuen was man gespart hat? Das glaube ich eigentlich weniger……also sollten wir dranbleiben und weiter gemeinsam fordern, dass diese Gelder an die Care ArbeiterInnen auch ausbezahlt werden 😊

    Gefällt 1 Person

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