4 Wochen Homeschooling, Homekitaing und Homeoffice – Ein #careotischer Rückblick mit Schuss zur Doppelbelastung

Es war Karsamstag, die Sonne schien, das Fenster war offen, frische Frühlingsluft kam herein, während ich um 12.45 Uhr noch im Bett saß und anfing, die letzten 4 Wochen mit Homeschooling, Homekitaing und Homeoffice zusammenzufassen in einem Blogbeitrag.

Erst einmal bin ich erleichtert, denn ich habe nun eine Woche keine Erwerbsarbeit zu erledigen. Das hatte ich schon Anfang des Jahres so geplant, da hier offiziell die Kita zu gewesen wäre. Nun ist die Kita (und die Schule) bereits vier Wochen geschlossen und es waren zeitweise sehr schwierige Wochen aufgrund der Doppelbelastung aus Kinderbetreuung und Homeoffice. Schwerstarbeit trifft es glaube ich ganz gut. So empfand ich es. Das kleine Kind meinte zu mir, am vergangenen Samstag mit der Aussicht auf meine freie Woche:

„Du musst jetzt nicht mehr am Computer arbeiten und nur noch Hausarbeit machen.“

Arbeit fällt dennoch an, dass hat er schon erfasst, denn private Care-Arbeit ist Arbeit und als alleinerziehende Mutter kann ich mir diese nicht mit einem Partner teilen. Aber ich muss nicht, wie in den letzten Wochen, Homeoffice und private Sorgearbeit parallel abarbeiten.

Für die jüngeren Kinder ist die ganze social-Distancing-Situation vielleicht noch schwieriger zu ertragen, als für die älteren Kinder. Mein großer Sohn (12 Jahre alt) hatte trotz Corona-Krise weiterhin Kontakt zu seinen Schulfreunden über WhatsApp, Telefon und Onlinespiele. Was war ich froh in den letzten Wochen auch im Hinblick auf das Homeschooling, dass er die Möglichkeit hatte sich virtuell zu treffen, um mit Freunden selbständig Hausaufgaben zu machen, Lösungen, die die Lehrerin für den Wochenplan geschickt hatte, zu vergleichen und mich dadurch auch zu entlasten. Dennoch gab es für mich genügend zusätzliche Arbeit, denn die Lehrerin hat mehrmals in der Woche mit mir per E-Mail kommuniziert, es gab zwei lange Elternbriefe und die Schulcloud musste eingerichtet werden. Nach den Osterferien müssen die Schüler von 8.00 bis 13.00 Uhr in der Schulcloud anwesend sein, dass hat uns die Schule schon vor den Ferien mitgeteilt. Ich bin jedenfalls wirklich dankbar dafür, dass sich der Große weitestgehend selbst um seinen Wochenplan für die Schule gekümmert hat und ich die fertigen Aufgaben dann nur noch an die Lehrerin gemailt habe. Eines ist dabei aber auch klar: Wenn ich mich viele Stunden am Tag hätte um die Schularbeiten von dem großen Kind kümmern müssen (wie noch in der Grundschulzeit am Wochenende), hätte ich meiner Erwerbsarbeit nicht mehr nachgehen können. Care-Arbeit ist Arbeit. Immer.

Ich frage mich in den letzten Wochen häufig, was Kinder machen, die keinen Computer und kein Smartphone haben für das Homeschoooling. Aus meiner Arbeit in der Erwachsenenbildung weiß ich, dass sich Menschen, die von HartzIV oder Grundsicherung leben müssen, manchmal nicht einmal den Internetanschluss leisten können. Da nützt es auch nichts, wenn den Betroffenen vorgerechnet wird, dass 2,51 Euro (Erwachsene)/ 2,07 Euro (Kinder) im Regelsatz dafür vorgesehen sind. In der taz erschien ein Text dazu „Kein Laptop für Adil“:

„Im Regelsatz enthalten sind auch 2,51 Euro pro Erwachsenem und bis zu 2,07 Euro pro Kind „für Kauf und Reparatur von Festnetz- und Mobiltelefonen und anderen Kommunikationsmitteln“.“

Ihr könnt Euch jetzt ausrechnen wie lange es dauert, bis sich Menschen im HartzIV-Bezug einen Computer zusammen gespart haben, vorausgesetzt, es ist vorher nicht etwas anderes kaputt gegangen, wofür das Ersparte verwendet werden musste. Ich bitte Euch daher, ermöglicht Schülern aus Familien mit wenig Geld das Homeschooling, in dem Ihr übrige Computer, Laptops oder Smartphones spendet an z. B. EineSorgeWeniger (auf Twitter zu finden unter @sorgeweniger) oder die Computertruhe e.V. (auf Twitter zu finden unter @Computertruhe). Die gebrauchten Geräte werden instand gesetzt und an Menschen mit sehr wenig Geld kostenlos abgegeben.

Mein kleiner Sohn (5 Jahre alt) tut sich sehr schwer damit, dass sich seine Welt total verändert hat durch die Corona-Krise, denn er hat  im Gegensatz zu seinem großen Bruder, gar keinen Kontakt mehr zu seinen Spielkameraden aus der Kita. Auch auch die Erzieherinnen fehlen ihm sehr. Da ich im Homeoffice mit meinen Aufträgen vollzeitnah erwerbstätig bin, hatte ich nicht viel Zeit für das Kind, was eine große Zerrissenheit in mir auslöste  und worüber ich auch schrieb in meinem letzten Beitrag. Am Ende der zweiten Homekita-Woche hat mich der Anruf von dem Psychologen aus der Erziehungsberatungsstelle, in die ich seit 5 Jahren gehe, seelisch gerettet. Das Beratungsgespräch fand telefonisch statt, wofür ich unglaublich dankbar war. Als der Psychologe an einem Donnerstagnachmittag anrief, war ich total aufgelöst und habe erst mal am Telefon geheult. Mich hat es unglaublich belastet, dass ich nur Homeoffice machen kann, wenn der Kleine fernsieht. Ich weiß, dass das nicht gut ist und es ist aber die einzige Möglichkeit für mich als alleinerziehende Mutter, meiner Erwerbsarbeit weiterhin nachzugehen, denn die Väter meiner Söhne kümmern sich sehr wenig (einer), bis gar nicht (der andere) um die Kinder. Der Psychologe hat mich seelisch erst einmal entlastet mit Pragmatismus und gesagt: „Nutzen sie die Medien. Das ist eine Ausnahmesituation.“

Das war der Punkt, an dem mein innerlicher Stress etwas weniger wurde, weil ich das kleine Kind jetzt eben einige Stunden fernsehen lasse mit nur noch minimalem schlechtem Gewissen. Ich könnte sonst nicht erwerbstätig sein. Wenn wir wieder viel weniger Geld hätten, weil ich keine Aufträge mehr habe, wäre das für mich und die Kinder auch wieder eine belastende Situation, von daher muss es eben jetzt in der Ausnahmesituation so laufen, dass das kleine Kind viel zu viel Zeit vor dem Fernseher verbringt, ich aber zumindest noch Einnahmen habe. Wobei ich letzte Woche nun auch in der Situation war, dass ich eine Anfrage für einen Auftrag bekam und ich ehrlicherweise im Moment eigentlich keinen neuen Auftrag mehr annehmen kann, denn ich brauche auch Zeit für die Kinder und den Haushalt. Wo wir wieder beim Thema wären: Care-Arbeit ist Arbeit. Auch in Corona-Zeiten.

Der Kleine langweilt sich zu Hause teilweise, weil ihm die Spielkameraden fehlen. Aufgrund dessen kommt er auf unorthodoxe Beschäftigungsideen. Mein Duschgelverbrauch ist exorbitant gestiegen, weil „Wasser britschen ohne was drin“ natürlich öde ist. Bei uns gab es die letzten Wochen nur „Wasser britschen mit Schuss“. Also mit Duschgel, Haarshampoo, Seife, Spülmittel und vielleicht so manchem, von dem ich nichts mitbekommen habe. Abwechslung muss schließlich sein! Auch für Kleiderbügel werden ungewöhnliche Aufbewahrungsorte gefunden wie das Beitragsbild zeigt. Eine Möglichkeit an meinem Smartphone hat das Kind nun auch entdeckt, wie es ohne Eingabe des Zahlencode, zumindest Zugriff auf meine Handykamera hat. Dieses Benutzungsform kannte ich bis jetzt auch nicht und es führte dazu:

Fragezeichen

Da Kleiner bei der letzten U-Untersuchung beim Kinderarzt in einen Becher pinkeln musste, hat er das dann zu Hause auch gemacht. Leider diesmal ohne meine Hilfe, was zu einem Urin-See auf dem Badfußboden führte. Natürlich fand das ganze statt, nachdem gerade frisch gewischt war und während ich im Homeoffice arbeitete. Für das Kind war das eine Selbstverständlichkeit, denn als ich ihn fragte, warum er das gemacht hat, antwortetet er: „Das musste ich doch das letzte mal beim Doktor auch!“ Naja, da konnte ich auch fast nicht mehr ärgerlich sein. Aber. Care-Arbeit macht auch nicht vor dem Homeoffice halt. Das Bad musste gewischt werden, sonst hätte der Urin nach kürzester Zeit fürchterlich gestunken. Care-Arbeit ist Arbeit. Immer.

Becher

Das Wetter war häufig sehr schön in den letzten Wochen, daher gab ich dem kleinen Kind unlängst einen Eimer Wasser mit in den Garten, zusammen mit seiner Spritzpistole. Ich dachte, da ist er eine Weile beschäftigt. Natürlich weit gefehlt. Theorie und Praxis liegen in Kinderbetreuungs-Dingen meistens doch Lichtjahre auseinander. Jedenfalls kam das Kind nach kurzer Zeit wieder nach oben und erzählte was passiert war mit dem Fenster der Nachbarn, die, nicht wie wir im ersten Stock wohnen, sondern im Erdgeschoss: „Ich habe auf das Fenster der Nachbarn gezielt. Dann hat mich die Nachbarin geschimpft und gefragt, warum ich nicht auf unsere Scheiben schieße. Da habe ich gesagt, dass ich da nicht hinkomme.“ Ich musste zugeben, dass seine Überlegungen auch wieder logisch waren und die Nachbarin hat wohl dann auch gelacht. Beschwert hat sie sich zumindest nicht bei mir. Was auch wieder gut war. Care-Arbeit ist Arbeit und mit experimentierfreudigen Kindern gibt davon noch eine Schippe oben drauf.

Die Uroma besuchen wir natürlich auch nicht mehr, weil sie mit 85 Jahren zur Risikogruppe gehört. Daher hat das kleine Kind ihr ein Bild gemalt und wir haben es per Post versendet. Daraufhin telefonierten die beiden. Das Gespräch war wirklich sehr lustig und öfters fiel der Satz auf beiden Seiten: „Wenn das blöde Corrrona vorbei ist, dann…….“. Sie machten also schon Pläne für #nachCorona, wobei die Uroma das R in Corona besonders betonte in dem Gespräch, was lustig war. Manchmal redeten Uroma und Urenkel auch aneinander vorbei. Sie schienen sich dennoch gut zu unterhalten, was irgendwie berührend war. Liebesbekundungen gab es auch auf beiden Seiten, außerdem die Information, dass Kleiner sein Geheimversteck umtopfen muss (nein, es ist nirgendwo vergraben) und es wurde der Beschluss gefasst, dass das kleine Kind meiner kleinen Schwester oder meiner Mutter einen Karton mit gibt für die Uroma, den sie dann mit Süßigkeiten befüllen muss, um ihn dann meiner Mutter oder kleinen Schwester wieder mitzugeben und dem Kleinen zu bringen. Meine Mutter kocht weiterhin für die Uroma und geht für sie einkaufen. Das ist lebensnotwendig für alte, betreuungsbedürftige Menschen, auch in Crona-Zeiten mit social Distancing. Natürlich fallen Umarmungen im Moment weg. Auch hier wird wieder sichtbar, wie abhängig wir sind, von der Fürsorge von anderen Menschen. Meine Mutter und meine kleine Schwester kamen in den letzten 4 Wochen auch abwechselnd zu mir und sind mit dem kleinen Kind einmal am Tag unter der Woche raus gegangen. Dafür bin ich sehr dankbar und ich fühle mich seit langer Zeit wieder aufgehoben in meiner Familie. Care-Arbeit ist Arbeit. Immer.

Aber. Jetzt nochmals zurück zu besagtem Süßigkeiten-Transport-Schuhkarton (mit beigelegter leerer Chipspackung), auf den ich eine Nachricht schreiben sollte vom Kleinen (er hat mir das diktiert) an die Uroma. Ich befürchte ja, dass man an meiner schrecklichen Schrift sieht, dass ich mir damit nicht viel Mühe gegeben habe. Aber ich wusste ja auch vorher nicht, dass ich eine Woche später ein Foto davon machen würde:

Chipspackung

Die Uroma hat dann den Süßigkeiten-Transport-Schukarton wie befohlen befüllt und auch eine Nachricht (in wesentlich schönerer Schrift) an den Kleinen hinterlassen:

Antwort Oma

Die lustigen Situationen, die wir erlebt haben, sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lage prekär ist im Moment gerade, was die private Carearbeit betrifft. Diesbezüglich ist ein sehr guter, vielschichtiger Gastbeitrag erschienen von Dr. Sonja Bastin im Blog des Equal Care Day mit dem Titel: Private Sorgearbeit: Systemrelevant und trotzdem weiter unsichtbar.

Es ist mir schwer gefallen aus dem großartigen Beitrag ein Zitat herauszusuchen. Ich würde am liebsten den ganzen Text zitieren. Aber da das auch wieder nicht geht, bitte schön:

„Gerade jetzt, wo so viel darüber gesprochen wird, dass bisher Unterbezahlte nun endlich als Leistungsträger*innen sichtbarer werden und diese Leistung auch finanziell anerkannt werden muss, fühlt es sich nach einer nicht hinnehmbaren Missachtung all der Arbeiten an, die unter- oder unbezahlte Erzieher*innen und Eltern leisten, wenn diese nicht ebenfalls genannt und aufgewertet werden. Müssen Eltern ihre Kinder hungrig, nackt, und verstört auf die Straße stellen, um dann – im Home Office – adäquat ihrer Erwerbsarbeit nachgehen zu können, damit gesehen wird, dass das, was sonst Erzieher*innen und Lehrer*innen leisten, aktuell von Eltern unter großem Zeitaufwand und mit großen beruflichen Kosten – so gut es irgend geht – aufgefangen wird?“

Private Care-Arbeit bleibt weiterhin unsichtbar und das ist wirklich ein besorgniserregender Zustand, den wir so nicht hinnehmen sollten. Aber, was tun? Im Moment habe ich dazu (noch?) keine Idee außer darüber zu bloggen und ich hatte auch ein Gespräch dazu. Es geht weiter. Irgendwie.

In der letzten Woche telefonierte ich mit einer Producerin von einer Produktionsfirma, die sehr interessiert war an meiner Arbeit zum Sichtbarmachen der privaten Fürsorgearbeit. Sie hatte angefragt für einen Beitrag, der 30 Minuten gehen sollte und meinte am Schluss, dass es in meinem Fall zu wenig zu berichten gibt. Das war für mich in Ordnung. Leider ist die Bundestagspetition zum Thema private Care-Arbeit aufgrund der Corona-Krise total untergegangen und es gab auch von manchen Aktivistinnen (ja, es waren nur Frauen) nicht die Hilfe in diesem Projekt, die ich mir gewünscht hätte. Das ist wirklich etwas, was im Nachhinein völlig unverständlich ist für mich. Es wäre wieder eine Möglichkeit gewesen auf das Thema aufmerksam zu machen und von Frauen mit Reichweite wurde diese Möglichkeit leider nicht genutzt. Das ist sehr bedauerlich, denn gerade jetzt während der Corona-Krise wird einmal mehr  sichtbar, wie lebensnotwendig und systemrelevant private Care-Arbeit ist. Jedenfalls habe ich der Producerin einige Initiativen (WIR! Stiftung pflegender Angehöriger, Equal Care Day, Netzwerk Care Revolution, Verein „Wirtschaft ist Care“) genannt, die sich mit dem Sichtbarmachen und mit der Anerkennung der privaten Care-Arbeit beschäftigen, in der Hoffnung, dass es hier vielleicht einen Fernsehbeitrag geben könnte. Das wäre mein Wunsch und ich hoffe sehr, dass er sich erfüllt, denn: Care-Arbeit ist Arbeit. Es geht weiter. Irgendwie.

P.S.: Wenn Ihr meine Arbeit zur Anerkennung und zum sichtbar machen der privaten Care-Arbeit finanziell unterstützt freue ich mich sehr. Hier geht es zu PayPal: https://paypal.me/ClaireFunke

P.P.S.: Zum Weiterlesen, Texte zur privaten Care-Arbeit und zur Corona-Krise, die ich wichtig finde:

 

 

4 Gedanken zu “4 Wochen Homeschooling, Homekitaing und Homeoffice – Ein #careotischer Rückblick mit Schuss zur Doppelbelastung

  1. Brigitte Bührlen schreibt:

    Danke Claire für Deinen großartigen Bericht! Es tut mir so leid, dass die Petition so untergegangen ist. Es war aber den Versuch wert und wir sollten nicht nachlassen mit unseren Forderungen! Mühlen mahlen manchmal langsam und man meint nichts zu bewirken. Aber wenn man nach einiger Zeit hinschaut merkt man: Und es hat sich doch etwas getan, es ist etwas dabei herausgekommen….. auf jeden Fall mehr als Nichts!

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  2. Dresden Mutti schreibt:

    Hut ab, wie du das meisterst! Natürlich hast du ja auch keine andere Wahl … Es ist einfach richtig blöd zur Zeit! Ich habe nur eine Woche durchgehalten mit Homeschooling, Homeoffice und Kinderbetreuung (und hatte ja immerhin abends den Mann da für die Carearbeit). Ich wünschte, es käme langsam mal ein Ende in Sichtweite.

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