Unterhalt?: Würde dann vom Amt kommen………

Es ging mir die letzten 4 Wochen gesundheitlich sehr schlecht. Nachdem ein erster Infekt Ende Februar einigermaßen abgeklungen war, entzündeten sich meine Halslymphknoten. Ich hatte dabei so schlimme Schmerzen beim Schlucken, dass ich teilweise überlegt habe, ob ich die Spucke im Mund ausspucke oder ob ich doch noch die Kraft zum herunterschlucken habe. Dadurch, dass meine Mandeln und das Gaumenzäpfchen zusätzlich auch noch sehr stark angeschwollen waren, gingen die fürchterlichen Schluckbeschwerden mit einer Beeinträchtigung der Sprache und der Atmung einher. Ein Außenstehender, der nichts von meiner Krankheit wusste, hätte daher auch mutmaßen können, dass ich zu viel Alkohol getrunken habe, so undeutlich und verwaschen war meine Sprache. Nachdem mir die Hals-Nasen-Ohrenärztin mitgeteilt hatte, dass die Chancen 50:50 stehen, dass sich diese schwere Entzündung mit einer hochdosierten Antibiotikatherapie zurückbildet, war ich geschockt. Es stand damit auch noch eine drohende Operation im Raum. Den dringenden Rat der Ärztin, mich unbedingt zu schonen, konnte ich nur mit einem müden Lächeln beantworten. Als alleinerziehende Mutter und ohne Hilfe z. B. der Väter bei der Kinderbetreuung, heißt es auch in Situationen, in denen ich so schwer krank bin: Funktionieren. Eigentlich gibt es bei Krankheit für mich schon seit 10 Jahren das Naheliegende nicht mehr, nämlich mich einfach ins Bett zu legen zum gesund werden. Stattdessen schalte ich dann um in den Autopilotmodus für Care-Arbeit und Erwerbsarbeit. Das fühlt sich ein bisschen an, als ob ich eine Maschine wäre, bei der alleine die Funktion (Kochen, Putzen, Waschen, Kinder betreuen, Berufstätigkeit) im Vordergrund steht. Quasi, die Mutter als Maschine im Autopilotmodus. Oder anders ausgedrückt, die abgespeckte Version der Mutter. Sozusagen.

Trotz schwerer Krankheit, war ich dennoch auch erwerbstätig. Der 450-Euro-Job als virtuelle Assistentin ist meine einzige kleine Sicherheit. Daher habe ich mich hier nicht getraut, mich krank zu melden. Die Angst ist zu groß, dass ich diesen Job verlieren könnte. Wir müssten dann wieder Hartz-IV beantragen. Das möchte ich nicht. Die Aufträge, die ich als selbständige virtuelle Assistentin habe, mussten natürlich auch noch abgearbeitet werden. Wer beauftragt schon jemanden ein zweites Mal, der wegen Krankheit ausfällt? Richtig. Wahrscheinlich eher niemand.

Schlussendlich hatte ich Glück, Mitte letzter Woche hat die Hals-Nasen-Ohrenärztin Entwarnung gegeben was eine drohende Operation betrifft. Die Medikamente haben angeschlagen. Aber, wie es manchmal im Leben so ist, kommt eine Katastrophe selten alleine. Mitten in die Erleichterung über eine abgewendete Operation, kam die Ankündigung vom Vater des Kleinen (4), dass er keinen Kindesunterhalt mehr bezahlen kann. Diese Mitteilung hat in mir so etwas wie eine emotionale und geistige Lähmung hervorgerufen. Ich konnte zwar meine Kinder versorgen und auch der Erwerbsarbeit nachgehen, aber geistig und emotional anwesend war ich nicht. Man könnte auch sagen, dass der Schock wieder den Autopilotmodus bei mir aktiviert hat. In diesen Stunden der Angst und Verzweiflung hat jede Überlegung, egal zum welchem Thema geendet mit dem gleichen innerlichen Satz: „Wie geht es jetzt finanziell weiter?“

Wenn ein Elternteil keinen Unterhalt bezahlen kann, ist es möglich den sog. Unterhaltsvorschuss zu beantragen beim Jugendamt. Dieser beträgt für Kinder zwischen 0 und 5 Jahren 160 Euro pro Monat, was um einiges weniger ist, als der Unterhalt, den der Kindsvater (je nach Einkommenshöhe laut Düsseldorfer Tabelle) bezahlen muss. Wenn ich keinen Kindesunterhalt mehr für den Kleinen bekommen würde vom Vater, müssten wir unter Umständen wieder Hartz-IV beantragen, trotz 450-Euro-Job, Einkünften aus selbständiger Tätigkeit und Wohngeld. Gerade für meinen großen Sohn fände ich diese Situation doppelt dramatisch, denn sein Vater bezahlt Unterhalt und er würde dann also darunter leiden, dass der Vater vom Kleinen nichts mehr bezahlt und das Jugendamt nur einen Teil davon ausgleicht. Tatsächlich habe ich in den Stunden der geistigen und emotionalen Lähmung daran gedacht, dass mein großer Sohn unter diesen Umständen (finanziell gesehen) besser bei seinem Vater aufgehoben wäre. Das habe ich natürlich nicht ausgesprochen, aber ich war so verzweifelt, dass ich es gedacht habe. Unsere Situation wird immer prekärer und ich würde meine Jungs da so gerne raushalten, aber das ist nicht möglich, denn wenn wir immer weniger Geld zur Verfügung haben, sind sie davon unmittelbar betroffen. Das Kinder immer spüren wenn etwas nicht stimmt zeigt die Reaktion vom Kleinen am Wochenende. Er legte mir die Glaskristalle im Bild,  in die Hausschuhe und erklärte mir dazu: „Damit Du wieder genug Geld hast.“ Das hat mich betroffen gemacht, denn meine Kinder sollen sich keine Sorgen um unsere finanzielle Situation machen. 

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Was mich an der E-Mail vom Vater des Kleinen besonders geärgert hat, war, dass da in einem Satz so etwas lapidares mitschwang. Er schrieb nämlich: „Ich würde mich um alles weitere kümmern, sodass Du keinen Ausfall hast. Der Unterhalt würde dann – wie Du weißt – vom Amt kommen.“ Haha. Bitte fügt hier gedanklich mein hysterischen Lachen ein. Er kann sich natürlich nicht um alles kümmern, wie er schreibt. Eine Meldung von ihm beim Jugendamt, dass er keinen Kindesunterhalt mehr bezahlen kann, würde nach sich ziehen, dass ich (nicht er), einen Antrag stellen muss auf Unterhaltsvorschuss, um dann nur noch einen Bruchteil von dem zu bekommen, was er an Kindesunterhalt bezahlen muss. Das hat mich wahnsinnig geärgert.

Jedenfalls bin ich am vergangenen Freitag um die Mittagszeit langsam aus meiner Erstarrung erwacht und habe die Firma gegoogelt, die der Vater vom Kleinen besitzt und die ich in den Anfangsjahren mit aufgebaut habe. Interessanterweise konnte ich dort lesen, dass es mittlerweile sieben Angestellte in dem Unternehmen gibt. Meine innere Lähmung hat sich schlagartig in Wut umgewandelt, die mich wieder handlungsfähig gemacht hat. Kurzerhand habe ich daher beim Vater in der Firma angerufen. Das mache ich normalerweise nicht, da ich den Wunsch von ihm bis jetzt akzeptiert habe, nur noch schriftlich mit mir zu verkehren. Aber diese besondere Situationen brauchte eine besondere Vorgehensweisen, daher habe ich ihn telefonisch in der Firma zur Rede gestellt. Das Wissen für dieses Gespräch, nämlich z. B. die Tatsache, dass Unterhaltsprellen strafbar ist (§ 170 StGB), hatte ich ironischer Weise gesammelt während der vergangenen Woche, da ich seitdem einem Aktionsbündnis gegen Unterhaltsprellen angehöre, mit dem wir sogar eine Petition zum Thema gestartet haben. Ursprünglich wollte ich mich hier engagieren, weil ich durch viele Zuschriften von Leser*innen weiß, dass es das Leben von Alleinerziehenden massiv erschwert, wenn sie keinen Kindesunterhalt vom getrennten Elternteil bekommen.

Ob ich nun selbst zu den 50 % der Alleinerziehenden gehöre, die keinen Unterhalt bekommen? Ich weiß es noch nicht. Dem Vater vom Kleinen habe ich jedenfalls eindringlich geraten, sein Vorhaben zu überdenken. Es erscheint schon sehr unwahrscheinlich, dass jemand sieben Mitarbeiter beschäftigt, also pro Monat siebenmal Lohn ausbezahlt, und im Gegensatz dazu dann den Unterhalt des eigenen Kindes nicht aufbringen kann. Dem getrennten Elternteil den Unterhalt zu entziehen, ist auch eine Form von Gewalt, nämlich finanzielle Gewalt, die einschneidende Auswirkungen auf das Leben von Mutter / Vater  und Kind hat und die daher niemals lapidar abgetan werden kann mit der Aussage: „Das Geld kommt dann vom Amt“.

Mein Alltag war in den letzten Wochen viel von Erschöpfung, Angst und Verzweiflung geprägt. Neben den finanziellen Verhältnissen, die schwierig sind, ist meine Gesundheit angeschlagen, so dass zwei wichtige Säulen in meinem Leben im Moment nicht richtig tragen. Sollte das Universum zu meinen Followern zählen, wäre es schön, wenn wir wieder ein Stück mehr Sicherheit in unserem Leben hätten, z. B. durch genügend Aufträge als virtuelle Assistentin oder auch durch eine Festanstellung.

P.S.: Wenn Ihr meine Arbeit zur Anerkennung und zum sichtbar machen der privaten Care-Arbeit finanziell unterstützt freue ich mich sehr. Hier geht es zu PayPal: https://paypal.me/ClaireFunke.

P.P.S: Eine erfreuliche Nachricht hat es dann doch noch gegeben. Ich wurde für den Familien Blogs Award von Sparpedia.ch nominiert zusammen mit anderen tollen Familien Blogs. Wenn Ihr mit abstimmen wollt, könnt Ihr das noch tun bis 28.03.2019 unter: https://sparpedia.ch/auszeichnungen/familien-blogs-award/

Beitragsbild: Pixabay von code404

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                                                        

7 Gedanken zu “Unterhalt?: Würde dann vom Amt kommen………

  1. Roswitha Engelke schreibt:

    Wie immer geht mir der Blog-Beitrag zu Herzen, und ich denke, ich sollte viel mehr für Dich beten, denn viel mehr kann ich von hier aus nicht tun. Habe für Dich bei der Familien-Blog-Abstimmung gestimmt, aber zurzeit liegt so ein schwachsinniger Wohlfühlblog vorne im Rennen von einer, die außer einer gewissen Gelangweiltheit mit der Problemlosigkeit des Lebens offensichtlich weiter keine Problem hat, und aus diesem Grunde bloggt. Ich hasse dieses ‚Positives-Denken-heilt-alles‘-Geschwafel von Leuten, die noch nie wirklich mit Problemen konfrontiert wurden. Nimm’s Dir nicht zu Herzen, wenn sie gewinnt.

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  2. have a nice day schreibt:

    ❤️ lichen Glückwunsch zum 1.Platz.

    Ich kenne das auch, dass kein Unterhalt gezahlt wird. Da mir dieses ewige Hinterherrennen aber gewaltig auf den Zeiger ging – gibt schließlich genug anderes worum man sich kümmern muss – hab ich diese Sorgen schon früh an das Amt ausgelagert und die Beistandschaft für die Kids beantragt. Das macht das Ganze zumindest ein Stück weit einfacher.

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    • Mama streikt schreibt:

      Liebe Have a nice day.

      ich danke Dir herzlich. Das mit der Beistandschaft übers Jugendamt überlege ich auch. Aber ich habe auch schon von vielen gehört, dass das nicht immer so gut klappt. Aber Du hast natürlich recht, es wäre eine Baustelle weniger bzw. eine, „die jemand anders bearbeitet“.

      Herzliche Grüße

      Claire

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      • have a nice day schreibt:

        Die Beistandschaft ist eine übergeordnete Kontrollfunktion mit längerem Arm. Stellst Du Unregelmäßigkeiten fest, hast Du einen Ansprechpartner, der viel schnellere Möglichkeiten hat. Ohne musst Du reden, reden, reden und/oder brauchst nen Anwalt, wenn’s nicht läuft und musst viel Zeit und Nerven investieren. Mit rufst Du da an, fragst nach und das, was Dich viel Zeit und Nerven kostet, ist – juhu – deren Job. Mir macht es das Leben viel leichter und regelmäßiger 😉.

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